Statement

Bildobjekte

„Einzig von Interesse: die mannigfaltigen Korrelationen von Farben, die sich im Fluss befinden.“
Diese Maxime bildet die Grundlage  für mein Arbeiten nicht  bloß „mit“, sondern vielmehr „an“ der Farbe. Die zumeist mehrtafeligen Bildobjekte, die ich oft ohne jegliche Berührung der Leinwand male, zeigen  die Eigenwertigkeit und Eigenständigkeit der Farbe in ihren unendlichen Wirkungen. Die Bilder sind manchmal am Rande des Motivischen, oft sind sie abstrakt. Bei den „Drippings“ bilden Tropfen und Sprenkel nuancierte Schichten, während bei den „Rivulets“  ein vielfarbiges Gespinst aus Farbrinnsalen den dynamischen Malprozess sichtbar hält.

Panels

„The sole point of interest: the manifold correlations of colours in a permanent state of flux.”

This maxim is the basis for my work not merely “with” paint but rather “on” colour. The picture objects that mostly consist of several panels painted without touching the canvas show the intrinsic value and independence of colour in its infinitely varied effects. The pictures sometimes suggest motifs, quite often they are abstract. With the “Drippings”, drops and speckles form layers rich in nuances and subtle distinctions, whereas the “Rivulets” with their multicoloured tissue of paint streamlets still show traces of the painting process.

Aquarelle

Wenn ich mit Aquarellfarben male, entstehen zumeist Serien von Monotypien, die in ihren Variationen sowohl das Steuerbare als auch das Aleatorische und die Vielschichtigkeit der Motive zeigen. Zum einen entstehen abstrakte, informelle Bilder, welche die künstlerischen Mittel und die bunte Farbe thematisieren, zum anderen arbeite ich gerne unter freiem Himmel, so dass Gräser und Steine, Bäume, Bäche und Seen, allgemein: die Landschaft und das Licht die Aquarelle beeinflussen. So hoffe ich, dass sich im lustvollen Schauen die Lust des Malens spiegelt.

Watercolours

My watercolours are mostly series of monotypes showing control as well as chance effects and, in addition to that, the complexity of motifs. On the one hand abstract, informal pictures emerge that focus on artistic means and colourful paint; on the other hand, I love to work under the open sky so that grasses and stones, trees, small streams and lakes, in general: landscape and light influence the watercolours. I hope that the joy of painting will be reflected in the viewer’s joyous contemplation of these pictures.


Peter W. Schatt
Edel & Weiß – Katja Kölle und Rolf Gerhards
Zur Ausstellungseröffnung in Viersen am 20. Januar 2013

… kumuliert Rolf Gerhards Farben, bis sie die Anmutung einer Natur annehmen, die Kultur uns nicht mehr sehen lässt: Durch die Technik, die er bei den hier gezeigten Werken angewandt hat – die Technik nämlich, zahllose Farbspritzer in vielen, nämlich über 50 Schichten übereinander zu legen –, emanzipiert er zunächst die Farbe vom Gegenstand; aber er emanzipiert sie, um durch die spezifische Gestaltung die Schönheit tradierter Sujets wieder zu gewinnen, um allfällige Topoi neu zu formulieren. Sonnenuntergänge, Waldstücke, Blicke aufs Meer sind nicht nur Gegenstand zahlloser Gemälde, sondern ebenso zahlloser Ansichtskarten und Erinnerungsfotos; sie selbst scheinen uns kitschig, weil sie so oft – und oft schlecht, weil mit übertriebenem Ausdruck –  abgebildet wurden. Von der dergestalt kulturell überwucherten Schönheit der Natur sucht Rolf Gerhards’ neue Form der Farbgestaltung uns etwas wiederzugeben: Durch seine Meta-Kultur des gestalterischen Umgangs mit Natur, bei der – umgekehrt wie bei den Impressionisten, die dem Gegenstand die Farbe abgewinnen wollten – der Gegenstand aus der Farbe heraus quasi zurück gewonnen wird, kann jenes Edle an der Natur wieder zur Erscheinung werden, das durch kulturelle Überformung verloren zu gehen droht. In seinen Arbeiten erobern sich die Farben nicht nur die Leinwand, sondern sie holen auch das Schöne der Natur zurück: Indem die Farben naturhaft-organisch – freilich vom Künstler organisiert – zusammentreten, wird nicht Natur gemalt, sondern die Malerei wird naturhaft.
© Peter W. Schatt


Katja Kölle
Sehen als Erlebnis

Die Bilder von Rolf Gerhards muten an, als seien in magischen Gewitternächten Farbschauer auf sie niedergeprasselt. Die scharf begrenzten, flachen Tafeln vermögen die Farbfülle der einander überlagernden Tropfen kaum zu halten; die Farben scheinen zu brodeln, aufzuspritzen, zu versinken und zu verdampfen. Dieses Zusammenspiel von Farben in „reiner Malerei“ ist sprachlich-begrifflich kaum zu fassen. Bilder, die mittels Malerei z.B. gegenständliche Darstellungen, Psychologismen oder Farbtheoretisches sichtbar machen, werden meist vom Programm her erschlossen, Fragen und Inhalte, welche die Malerei betreffen, umgangen oder vernachlässigt. Artefakte, deren Inhalte die Malerei selbst ist, bieten hier keine Ausweichmöglichkeiten. […]

In einer Gesellschaft, in der man sich vornehmlich visuell orientiert, sind die Augen so trainiert, dass sie sich flexibel auf Seh-Situationen einstellen. Im Alltag sondiert der schweifende Blick räumliche Bezüge, registriert vielfältige Bewegungsabläufe und Signale, z.B. im Straßenverkehr. Es verengt sich der Blick zum Lesen abstrakter Schriftzeichen in Zeitungen und Büchern. Die bildkünstlerischen Medien, und zwar Malerei, Zeichnung, Graphik und Fotografie auf der einen Seite und Film, Fernsehen, Video und Computeranimation auf der anderen Seite, stellen an die Augen konträre Anforderungen:

  • Die „alten“, statischen Medien wollen, in einem vom Betrachter selbst gewählten Tempo, mit den Augen abgetastet werden; sie verlangen das bewegte Auge.
  • Die „neuen“ Medien der fließenden Bilder und schnell wechselnden Bildsequenzen lassen das Auge in einem Blickwinkel gebannt erstarren, um die vorgegebenen Informationsfolgen optimal aufnehmen zu können.

Diese unterschiedlichen Seh-Verhaltensweisen des Auges erklären meines Erachtens, warum die neuen Medien die etablierten nicht ablösen oder ersetzen, sondern nur ergänzen und bereichern können. Die Seh-Bedürfnisse sind so unterschiedlich, dass sie jeweils spezifisch befriedigt werden wollen. Das schon so oft totgesagte Tafelbild erfährt möglicherweise nicht trotz, sondern gerade wegen der allgegenwärtigen Bildschirmreize ansteigendes Interesse. […]

Das farbige Gegenüber in Augenschein nehmen,
es mit den Augen abtasten,
sich einsehen,
tief in die Farbschichten eintauchen,
in ihnen versinken,
über die Augen mit dem Bild verschmelzen.

Sehen wird zum Erlebnis.

Aus: Rolf Gerhards, Inmitten der Farbe, Flensburg 1994